Vegetation von Extremhochwasser kaum betroffen - Erstmals Publikation zu den Auswirkungen der Elbeflut 2002 auf Flora und Fauna

Die Folgen von extremen Fluten betreffen Laufkäfer und Schnecken stärker als die Pflanzen in den Wiesen der Flussauen. Zu diesem Ergebnis kommen Biologen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der TU Berlin, der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), von ÖKON Kallmünz und ILN Bühl nach mehrjährigen Beobachtungen vor und nach der Elbeflut im August 2002. In der Wissenschaft besteht Konsens, dass Überflutungen und Niedrigwasser als die wesentlichen Umweltfaktoren für die Lebensgemeinschaften in Auen allergrößte Bedeutung haben. Allerdings seien die konkreten Auswirkungen von extremen Hochwasserereignissen auf die Flora und Fauna in Auen bisher weitgehend unbekannt gewesen, obwohl solche "Katastrophen" durch den Klimawandel in Zukunft wahrscheinlich öfter auftreten werden, schreiben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des US-Fachjournals Ecology. Sie hatten Pflanzen, Laufkäfer und Schnecken im Frühjahr und Herbst auf 36 Probeflächen in der Elbaue erfasst, die 2002 überflutet wurde. Dabei wurden Daten aus den Jahren 1998 und 1999 mit Daten aus den Jahren 2003 und 2004 miteinander verglichen.

Die Proben stammten von markierten Flächen innerhalb eines knapp einen Quadratkilometer großen Wiesengebietes bei Dessau im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe in Sachsen-Anhalt, das von der Elbe saisonal überflutet wird. Bei der Flut 2002 standen diese Flächen mindestens zwei Wochen mit einer Höhe zwischen 2,4 und 5,4 Metern unter Wasser.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Gemeinschaften an Schnecken und Laufkäfern am stärksten von der Flut beeinflusst wurden", erklärt Christiane Ilg vom UFZ. "Das widerlegt die Hypothese, dass Gruppen mit geringerer Mobilität stärker von der Flut beeinflusst würden, weil sie dieser schlechter ausweichen könnten und erst mit zeitlicher Verzögerung den überfluteten Lebensraum wiederbesiedeln würden." Die Zahl der Laufkäfer ging von 117 Arten vor der Flut auf 88 direkt nach der Flut zurück, erholte sich aber 2004 und erreichte schnell wieder das Niveau vor der Flut. Überraschenderweise war gerade diese Artengruppe, die an feuchte Lebensbedingungen angepasst ist und z. T. gute Schwimmer sind, am stärksten betroffen; sie verloren über 40 Prozent der Arten. Laufkäfer haben sich zwar im Laufe der Evolution gut an Hochwasser angepasst, sind jedoch eher auf die typischen Winter- und Frühjahrsfluten angepasst. Deshalb kann ein Hochwasser im Sommer, das an der Elbe in diesem Ausmaß selten auftritt, die Zahl der Laufkäferarten stark dezimieren. Durch ihre hohe Mobilität erholte sich die Artenzahl jedoch auch wieder schnell. Die Landschnecken zeigten sich wenig von diesem ungewöhnlichen Sommerhochwasser beeinflusst und blieben in Artenzahl und Individuendichte etwa gleich. Lediglich die Zahl der Wasserschneckenarten stieg nach der Flut.

Die Vegetation war am geringsten durch die Flut beeinflusst. Der Rückgang von 113 auf 107 Pflanzenarten fällt statistisch kaum ins Gewicht. Weitere Analysen haben aber gezeigt, dass auch hier einige Pflanzen in ihrer Häufigkeit stark zurückgedrängt wurden, andere wiederum vom Hochwasserereignis profitiert haben. Offenbar hat sich die Vegetation gut an das Hochwasserrisiko angepasst.

Obwohl mit dieser Untersuchung erstmals Daten zu den Auswirkungen solcher Extremereignisse auf Flora und Fauna vorliegen, betonen die Wissenschaftler, dass es schwierig ist, aus einer einzelnen Flut auf die Langzeitfolgen zu schließen. "Wir meinen, dass ein Langzeitmonitoring der Auenökosysteme mit standardisierten Methoden helfen kann, die Konsequenzen von häufigeren Fluten aber auch längeren Niedrigwasserphasen auf die Artenvielfalt in den empfindlichen Flussauen zu ermitteln."

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)