Olympia und Covid 19

mit dem Schriftzug „das medizinische System ist am Limit. Stoppt Olympia. Es ist genug. Olympia ist unmöglich!" title= hat der Leiter des Tachikawa Sogo Krankenhauses in Tokyo auf den Punkt gebracht, was aktuell 60% der Japaner denken (9.5.2021).

Die bisher relativ niedrigen Infektionszahlen in Japan (im Verlauf des vergangenen Jahres meist ca. 1/10 der Zahlen in Deutschland) sind aktuell in der 4. Welle ansteigend, in 6 Präfekturen gilt ab 12. 5. 2021 der Ausnahmezustand.

Zur Einschätzung: in Tokyo wurden im Wochendurchschnitt rund 800 Infizierte pro Tag gemeldet (7.5.2021). Dabei beziehen sich die genannten Zahlen in der Presse in der Regel immer auf die gesamte Präfektur Tokyo mit einer Bevölkerungszahl von ca. 14 Mio., d.h. pro 1 Mio. Einwohner ca. 60 Infizierte pro Tag. Quelle

In den Medien wird fast täglich von der Überlastung des Gesundheitssystems berichtet. Dabei ist Japan ein Land mit guter medizinischer Versorgung. Aber die seit Jahrzehnten rückläufige Geburtenrate und die restriktive Einwanderungspolitik hat zu einer Knappheit an Arbeitskräften geführt und auch die Organisation des Gesundheitssystems trägt zur Knappheit an Plätzen für Covid 19 Patienten bei. So sind 2/3 der Krankenhäuser in privater Hand und die pro Patient von der Versicherung erstattete Pflegepauschale bildet den deutlich höheren Pflegeaufwand bei Covid Patienten nicht ab, so dass sich für ein privat geführtes Krankenhaus ein Covid 19 Patient nicht "rechnet". Quelle

Der letzte Aufruf der olympischen Organisatoren in Tokyo, zusätzlich zu dem im Olympic Host Contract festgelegten medizinischen Personal weitere 500 Krankenschwestern -/pfleger als Freiwillige für die Spiele abzustellen, hat für einen Aufschrei unter den Betroffenen geführt: Tokyo Games need 500 nurses; nurses say needs are elsewhere

Niedrige Impfquote
Japan hat sich mit Blick auf die Olympischen Spiele die größte Zahl an Impfdosen (17 Mio. Dosen) in Asien gesichert, davon aber noch nicht einmal 1/5-tel verimpft. So liegt die aktuelle Impfquote unter 2% Quelle

Warum ist man in Japan so zurückhaltend bei Impfungen?
Angst vor Nebenwirkungen und Zweifel an der Wirksamkeit sind bei den Bürgern zum Teil historisch begründet (siehe hierzu den interessanten Artikel: Factors Affecting Vaccine Preventable Disease in Japan), der Hauptgrund für den langsamen Impfstart bei Covid 19 dürfte aber im Mangel an zugelassenem Personal und der noch nicht etablierten Logistik begründet sein.

Was passiert bei einer Absage der Spiele?
Das ursprünglich von Japan für die Spiele eingeplante Budget lag bei 7 Milliarden $ und liegt nach der Verschiebung um ein Jahr bei 25 Mill. $ (Quelle). Eine komplette Absage würde zu weiteren 10 Mill. Verlust führen (Quelle). Mit zahlreichen Regressstreitigkeiten seitens der Sponsoren wäre zu rechnen.

Das Olympisches Komitee (IOC) finanziert sich größtenteils durch die TV-Werbeeinnahmen während der Sommer- und Winterspiele.

Ob die Durchführung der Spiele beim aktuellen Stand der Pandemie in Japan noch den grundlegenden Prinzipien der Olympischen Charta entspricht, kann sich jede/r beim Lesen selbst ein Bild machen:
„ …. sucht der Olympismus, einen Lebensstil zu schaffen, der auf der Freude an Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit sowie auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien aufbaut." (Olympische Charta).

Das IOC, unter Leitung des Deutschen Thomas Bach, verfolgt weiterhin die Durchführung der Spiele.

MB