Weltweite Arbeit an Impfstoff gegen Schweinegrippe

Spätestens seit die neue Form der Schweinegrippe Europa erreicht hat, wird deutlich, das der neuartige Influenzavirus ein globales Phänomen ist. In Spanien bestätigte das Gesundheitsministerium am Montag den ersten Fall in der EU. Mittlerweile gibt es in ganz Europa Verdachtsfälle, auch in Deutschland deuten sich die ersten Infektionen an. Doch bisher sind die Erkrankungen außerhalb von Mexiko vergleichsweise mild verlaufen, die Erkrankung unterscheidet sich nur wenig von einer gewöhnlichen Erkältung und die Betroffenen erholen sich bald wieder.

Virus offenbar von Mensch zu Mensch übertragbar

Aggressiv scheint der Virenstamm merkwürdigerweise nur in Mexiko zu sein. Aus mehreren Bundesstaaten wurden mehr als 1000 Verdachtsfälle gemeldet, die Zahl der bestätigten Todesfälle leigt allerdings weit darunter. Bisher sind nur sieben Fälle bestätigt. Das geschieht durch einen Test, der allerdings mehrere Tage dauert. Die meisten Verdachtsfälle erweisen sich bisher als anderweitige Erkrankungen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) informiert auf einer eigenen Internetseite über die Schweinegrippe und erhöhte am 27. April eine seit 2005 für Influenza geltende Alarmphase. Ab sofort gelte Alarmplan 4 nach der bisherigen 3. Stufe, erklärte der amtierende WHO-Generaldirektor für Gesundheitssicherheit und Umwelt, Keiji Fukuda, nach einer Sondersitzung.

Diese Stufe ist charakterisiert durch die bestätigte Fähigkeit des Virus

Infektiöses Partikel, das aus einer Proteinhülle besteht und entweder DNA oder RNA als Erbinformation enthält. Da Viren sich nicht selbstständig vermehren können, dringen sie in andere Organismen ein (infizieren sie), und programmieren deren Stoffwechsel zur Produktion von Virusbestandteilen um. Viren infizieren Zellen von Eukaryonten und Prokaryonten.
, von Mensch zu Mensch übertragen zu werden. Die Behörden in den einzelnen Ländern sind angewiesen, eng mit der WHO zusammenzuarbeiten, damit die weitere Ausbreitung verhindert wird. Die WHO empfiehlt aber derzeit keine Reisebeschränkungen oder gar das Schließen von Grenzen, erklärte die Organisation auf ihrer Website. Wenn möglich, sollten aber Reisen in gefährdete Gebiete vermieden werden. Das Auswärtige Amt empfiehlt Reisenden nach Mexiko, Menschenmassen zu meiden.

Die Artengrenze übersprungen

Schon seit jeher ist das Immunsystem der Lebewesen mit immer neuen Mutationen von Viren konfrontiert. Eine besondere Herausforderung in diesem ewigen Kampf sind allerdings Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen übergehen. Besonders begabt dafür sind Influenzaviren, die Grippe auslösen. Grippeviren kommen sowohl bei Vögeln und Schweinen als auch beim Menschen vor. Springen Sie über die Artengrenze, nehmen sie oft Erbgut anderer Virusstämme in sich auf. Das macht den Virus für das menschliche Immunsystem erst einmal zu einem Unbekannten.

Nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde "Centers for Disease Control and Prevention" (CDC) sind die zuerst in Mexiko beobachteten Viren des Typs H1N1 ein solcher Fall. Der geläufige Begriff "Schweinegrippe" ist eigentlich nicht ganz korrekt, da das aktuelle Virus

Infektiöses Partikel, das aus einer Proteinhülle besteht und entweder DNA oder RNA als Erbinformation enthält. Da Viren sich nicht selbstständig vermehren können, dringen sie in andere Organismen ein (infizieren sie), und programmieren deren Stoffwechsel zur Produktion von Virusbestandteilen um. Viren infizieren Zellen von Eukaryonten und Prokaryonten.
vorher noch nie in Schweinen beobachtet wurde, sondern eine neue Mischung aus verschiedenen Grippeviren darstellt. Es enthält nicht nur genetisches Material aus Virenstämmen, die Schweine befallen, sondern auch solches aus Viren, die Menschen und Geflügel anstecken. Wie das Virus entstanden ist, weiß bisher noch niemand. Fest steht, dass es sich offenbar recht leicht von Mensch zu Mensch fortpflanzt, was der Vogelgrippe des Typs H5N1 nicht so einfach gelang. Die Buchstaben-Zahlen-Kombinationen wie H5N1 oder H1N1 rühren von dem Ordnungssystem her, mit dem Mediziner der verwirrenden Vielfalt von Grippeviren Herr zu werden versuchen.

Hämagglutinin Nr. 1 und Neuraminidase Nr. 1

So unterscheidet man zunächst drei Grundtypen von Grippeviren: A, B und C. Vor allem der bei Menschen als auch Tieren vorkommende Typ A ist es aber, der immer wieder Schlagzeilen macht. Denn er verändert sich ständig. Das recht einfach auf einer RNA angeordnete Genom

Gesamtheit aller Erbinformationen eines Organismus. In Eukaryonten verfügt jede Zelle in ihrem Zellkern über die gesamte Erbinformation.
des Virus

Infektiöses Partikel, das aus einer Proteinhülle besteht und entweder DNA oder RNA als Erbinformation enthält. Da Viren sich nicht selbstständig vermehren können, dringen sie in andere Organismen ein (infizieren sie), und programmieren deren Stoffwechsel zur Produktion von Virusbestandteilen um. Viren infizieren Zellen von Eukaryonten und Prokaryonten.
ist sehr anfällig für spontane Mutationen. Durch die ständige Veränderung sind einmal erworbene Immunitäten oft schon in der nächsten Grippesaison wieder veraltet und schützen nur noch begrenzt vor einer Neuinfektion. Deshalb wird auch der Grippeimpfstoff jedes Jahr neu angepasst.

Grippeviren vom Typ A werden gemeinhin nach zwei Molekülen auf ihrer Oberfläche klassifiziert. Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). Von diesen Molekülen gibt es wiederum Variationen, bisher sind 16 H-Subtypen und 9 N-Subtypen bekannt. Ein Virus kann verschiedene Variationen der Subtypen auf seiner Oberfläche tragen. Bei dem Schweinegrippen-Virus handelt es sich um eine neue Variation der Virusart, die Hämagglutinin Nr. 1 und Neuraminidase Nr. 1 auf ihrer Hülle vorweisen. Die selbe Kombination trat auch in der gerade zu Ende gegangenen europäischen Grippesaison auf, ebenso wie bei der verheerenden "Spanische Grippe" von 1918, der weltweit Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Oseltamivir und Zanamivir scheinen zu wirken

Eine ausgebrochene Erkrankung lässt sich offenbar mit den vorhandenen Arzneimitteln behandeln. Bei früheren Tests waren die sogenannten Neuraminidasehemmer (antivirale Medikamente gegen Influenzaviren) bei unterschiedlichen Influenzavirus-Subtypen wirksam. Wie die CDC meldet, schienen die handelsüblichen Neuraminidasehemmer Oseltamivir und Zanamivir bei dem Virus gut zu wirken. Nicht sicher ist bisher, ob der saisonale H1N1-Impfstoff gegen dieses Virus

Infektiöses Partikel, das aus einer Proteinhülle besteht und entweder DNA oder RNA als Erbinformation enthält. Da Viren sich nicht selbstständig vermehren können, dringen sie in andere Organismen ein (infizieren sie), und programmieren deren Stoffwechsel zur Produktion von Virusbestandteilen um. Viren infizieren Zellen von Eukaryonten und Prokaryonten.
schützt. Offen bleibt allerdings die Frage, weshalb die Krankheit im Ursprungsland Mexiko bisher so viel heftiger verläuft als anderswo.

Ob die aktuell eingesetzte Schutzimpfung vor der aktuellen Schweinegrippe schützt, sei nicht klar, erklärte das Berliner Robert-Koch-Institut. Die CDC in den USA schreiben auf ihrer Webseite, man gehe nicht von einer Wirksamkeit der aktuellen Impfung gegen die neuen Form von H1N1 aus. Ein eigens auf die neue Form der Schweinegrippe abgestimmter Impfstoff ist derzeit allerdings noch Monate entfernt.

Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Pharma-Unternehmen in Deutschland, sagte am Montag in Berlin, dass die Verbandsmitglieder mit der Entwicklung beginnen könnten, sobald die Weltgesundheitsorganisation WHO ihnen isolierte Viren eines Erkrankten als Referenzmaterial für die Entwicklung übergibt. Deutschland zählt zu den wichtigsten Standorten für die Herstellung von Grippeimpfstoffen weltweit mit Produktionseinrichtungen in Dresden und Marburg. Novartis will bei der Impfstoffentwicklung mit dem Institut für Virologie an der Universität Marburg zusammenarbeiten.

Marburger bauen rekombinantes Virus für Impfstoff

Das sei am Montag bei einem Treffen vereinbart worden, sagte Institutsdirektor Stephan Becker. Dort will man gar nicht warten, bis die WHO Virusmaterial liefert. "Die WHO hat das Genom

Gesamtheit aller Erbinformationen eines Organismus. In Eukaryonten verfügt jede Zelle in ihrem Zellkern über die gesamte Erbinformation.
veröffentlicht", sagte Becker gegenüber der Nachrichtenseite Spiegel Online. "Wir lassen die Gene nun synthetisieren und stellen daraus ein rekombinantes Virus her." Dieser Erreger wird über die Oberflächenproteine der neuen Variante verfügen, der Rest wird von einem bereits bekannten Virentyp stammen. Dieser genetische Mischling, ein sogenannter rekombinanter Virus, soll dann bei der Impfstoffentwicklung helfen.

Bis der in größeren Mengen zur Verfügung steht, wird allerdings noch dauern, obwohl Novartis Erfahrung mit einer neuen Methode zur massenhaften Herstellung von Impfstoffen schon Erfahrung hat (mehr...). Üblicherweise werden Impfstoffe mit Hilfe von Hühnereiern hergestellt, die mit Viren infiziert werden. Die Eier werden drei Tage lang gebrütet. In dieser Zeit vermehrt sich das Virus in der äußeren Fruchthülle um den Hühnerembryo. Später wird das virushaltige Eiklar geerntet und zu verschiedenen Impfstoffen weiterverarbeitet. Das dauert. Zudem sind viele Viren – wie etwa Vogelgrippeviren – so aggressiv, dass sie nicht in Eiern wachsen können. Aus diesem Grund muss zuvor der Erregerstamm gezielt verändert werden. Das dauert noch länger.

Zellkulturen schneller als Hühnerei

Schneller geht es mit einem anderen Ansatz, bei dem Säugetierzellen für die Zucht verwendet werden. Sie sind stabiler, das Virus muss vorher nicht mehr entschärft werden. Novartis hat bei dieser Methode mit seinem Marburger Forschungsstandort Novartis Behring die Nase vorn. Im Sommer 2007 erhielt der Zellkultur-Grippeimpfstoff Optaflu die Zulassung in der Europäischen Union. Optaflu war der erste Grippeimpfstoff, bei dessen Herstellung statt Hühnereiern eine firmeneigene Zelllinie

Zelllinien sind unsterbliche Zellen die dauerhaft unter Zellkulturbedingungen unbegrenzt vermehrt werden können. Davon unterscheidet man Primärkulturen, also Zellen, die direkt aus einem Gewebe gewonnen werden und nur eine begrenzte Lebensdauer besitzen.
zur Produktion von Antigenkomponenten eingesetzt wird. In Marburg steht die weltweit erste Anlage, die Zellkultur-Grippeimpfstoff im industriellen Maßstab für den Markt produziert. Die erste Lieferung erfolgte in der Saison 2007/2008.

Das amerikanische Pharmaunternehmen Baxter wiederum besitzt einen Impfstoff gegen die aktuelle Virus-Variante H1N1. Er erhielt bereits 2007 eine Zulassung. Baxter setzt ein Verfahren ein, bei dem sogenannte Vero-Zellen aus Nierenzellen von Grünen Meerkatzen mit dem Grippevirus vermischt werden. Baxter gibt an, mit dieser Methode bei der Entwicklung eines Impfstoffs an die acht bis zehn Wochen einsparen zu können. Zudem könne man im Falle eines dringenden Bedarfs in relativ kurzer Zeit große Mengen des Stoffs herstellen.

Bis ein Impfstoff auf den Markt kommt, ist der beste Schutz gegen die Grippe nach Aussagen von Ärzten das Händewaschen. Bei Infizierten kann versucht werden, den Verlauf der Erkrankung durch die vorhandenen Grippemedikamente zu mildern, die in Deutschland und vielen anderen Ländern für den Fall einer Epidemie umfassend bevorratet wurden. "Unsere Hersteller haben bereits die Nachproduktion dieser Medikamente hochgefahren oder prüfen, ob dies erforderlich ist", sagt Cornelia Yzer vom VfA.
Artikel: biotechnologie.de

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