Eisenbakterien im Trinkwasser bereiten Kopfzerbrechen

Drehen wir den Wasserhahn auf, vertrauen wir darauf, dass sauberes Trinkwasser aus der Leitung kommt. Das ist nicht selbstverständlich. Denn wo Wasser ist, sind auch Bakterien. Einige Arten sind ärgerlich, andere gefährlich. Am Fachbereich Umweltmikrobiologie der Technischen Universität Berlin forschen Mikrobiologen um Ulrich Szewzyk an Mikroben, die Pumpen und Filter in Trinkwasserbrunnen durch Eisenablagerungen beschädigen, und an Biofilmen aus gesundheitsschädlichen Keimen, die es sich in Hausleitungen gemütlich machen können.

Experten nennen es Verockerung, für den Laien sieht es aus wie Rost: Fast überall, wo Wasser fließt, sind auf dem Untergrund rostrote Eisenablagerungen zu entdecken. Der Grund dafür sind überraschenderweise in vielen Fällen Bakterien.
„Sie kommen in fast allen Gewässern wie Grundwasser, Seen und Flüssen vor. Aber leider auch in Brunnen oder Wasserleitungen“, sagt Ulrich Szewzyk, Leiter der Umweltmikrobiologie (UMB) an der Technischen Universität Berlin. Im Leitungssystem führen die Ablagerungen der Mikroben zu Problemen. Einerseits fließt nicht mehr genug Wasser durch die Leitung, andererseits verstopfen die Eisenflocken Filter und Trinkwasserpumpen; die Sanierungsmaßnahmen der Brunnen sind aufwendig und teuer – die Rechnung hat der Verbraucher zu zahlen.

Verockerung ist kaum zu verhindern: Wo Wasser ist, kommt es zu biologischen Prozessen, und als vierthäufigstes Element der Erdkruste ist Eisen im Wasser immer schon gelöst.

Es kursieren drei unterschiedliche Theorien

„Die Bakterien entziehen dem Wasser Eisen und lagern es in oxidierter Form um sich herum ab. Chemisch ist das ähnlich wie Rost,“ erklärt Szewzyk. Den Forschern sind schon lange verschiedene Arten von Bakterien bekannt, die Eisen ablagern. Aber erst in den letzten Jahren hat man begonnen sie auch intensiv im Labor zu untersuchen – Szewzyks Arbeitsgruppe gehört zu den führenden Experten auf diesem Gebiet. Aber auch den Spezialisten geben die Bakterien Rätsel auf. „Interessanterweise weiß man bis heute nicht, warum manche Bakterien überhaupt Eisen ablagern“, sagt Szewzyk.

Drei unterschiedliche Theorien kursieren unter den Wissenschaftlern:

  • Das Eisen liefert den Bakterien bei seiner chemischen Umwandlung Elektronen, die sie zur Energiegewinnung nutzen.
  • Die Organismen können die freiwerdende Energie nicht nutzen aber mithilfe der Eisenoxidation möglicherweise Schadstoffe abbauen.
  • Das Eisen liefert Elektronen für eine anaerobe Photosynthese.

Verockerung künstlich verlangsamen

Zunächst wollen Szewzyk und sein Team die molekularen Vorgänge verstehen. „Wir untersuchen die Eisenbakterien unter verschiedenen Kulturbedingungen und wollen so den natürlichen Verockerungsprozess, der in den Brunnen stattfindet, im Labor nachstellen.“ Dabei prüfen die Forscher genau, unter welchen Bedingungen die Bakterien Eisen oxidieren und unter welchen nicht. Ein entscheidender Faktor ist offenbar Sauerstoff, so Szewzyk. „Sowohl ein Zuviel wie ein Zuwenig beeinflusst das Wachstum der Bakterien stark. Ohne Sauerstoff wird der Prozess komplett gestoppt.“ Außerdem prüfen die Forscher weitere Stellschrauben wie zum Beispiel den Einfluss des pH-Werts oder Chemikalien wie Wasserstoffperoxid. Das Ziel des Projekts ist es, den Prozess der Verockerung einmal künstlich verlangsamen oder sogar rückgängig machen zu können.

Modellorganismen für Leben auf dem Mars

Die Eisenbakterien aus den Berliner Laboren werden überdies auf einen Ritt durchs Weltall vorbereitet, denn sie gelten auch als Modellorganismen für mögliches Leben auf dem Mars. „Die Eisenablagerungen schützen die Bakterien gegen starkes UV-Licht und Austrocknung. Das befähigt sie möglicherweise auch auf den Mars zu überleben“, so Szewzyk. „Der Mars enthält riesige Mengen an Eisenoxiden.“ Die Forscher vermuten, dass wenn es Leben auf dem Planeten gibt, könnte es auf der Grundlage von Eisen sein. In einem Projekt mit dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Helmholtz-Gemeinschaft werden die Bakterien Mitte nächsten Jahres ins All geschossen. Ein Jahr werden sie dann auf der Außenseite der Internationalen Raumstation (ISS) beweisen müssen, ob sie den Bedingungen im Weltraum gewachsen sind.

Studie zeigt dramatisches Ergebnis

Während die Verockerung der Trinkwasserleitungen ein Ärgernis ist, sind andere Bakterien im Trinkwasser für den Menschen sogar gefährlich. Ein Test von TÜV Rheinland und ARD Plusminus in zehn deutschen Großstädten hat erschreckendes gezeigt: Die Hälfte der untersuchten 50 Wasserproben aus öffentlich zugänglichen Gebäuden waren verkeimt. „Jede zweite Wasserprobe war belastet“, erklärt Walter Dormagen, Experte für Mikrobiologie bei TÜV Rheinland. Neben einer allgemeinen Verkeimung seien in einigen Wasserproben auch E.coli und Legionellen gefunden worden. Diese Bakterien können beim Menschen zu Durchfall, Erbrechen oder Lungenerkrankungen führen. In zwei Proben seien auch Pseudomonaden, also Krankenhauskeime gefunden worden – für Menschen mit schwachem Immunsystem eine Gefahr.

Doch die Studie wird von einigen Experten angezweifelt; so hätten die Tester nicht wie vorgeschrieben die Wasserhähne vor der Probenentnahme sterilisiert - eine nachträgliche Verunreinigung könne deshalb nicht ausgeschlossen werden.

Keime in der Wasserleitung

Klar ist aber: In Leitungen, in denen Wasser steht oder mit nur wenig Druck hindurchfließt, können sich leicht sogenannte Biofilme bilden – Wohngemeinschaften aus Bakterien, in denen sich auch krankmachende Organismen einnisten können. Die erfolgreiche Strategie der Wasserwerke beruht darauf, den verbleibenden Bakterien im Wasser die Nährstoffe zu entziehen und dadurch ein „stabiles“ Trinkwasser zu erzeugen. Nur die letzten Meter bis zum Wasserhahn der Verbraucher sind das Problem: Bei Hausinstallationen werden oft Werkstoffe eingesetzt, die Nährstoffe abgeben und auf diese Weise das Biofilm-Wachstum unterstützen.

In der Umweltmikrobiologie der TU Berlin forscht man bereits seit Jahren an Materialien, die das Biofilmwachstum begünstigen oder hemmen. Besonders, der in Häusern häufig verbaute synthetische Gummi Ethylen-Propylen-Dien-Monomer (EPDM) fördert nach Untersuchungen der Forscher das Biofilm-Wachstum. Mehr Hygiene brächten dagegen Leitungen aus Kupfer oder Polyethylen.

Quelle: Biotechnologie.de