Jährlich sterben weltweit mehr als 9.5 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ca. 8 Millionen Todesfälle gehen allein auf das Konto von HIV/AIDS, Malaria, Tuberkulose (TB) und anderen Lungeninfektionen.
„In der Praxis haben wir es oft mit gemischten Infektionen durch zwei oder mehr Erreger zu tun. Das hat Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf, die Reaktionen des Körpers und schlussendlich auf den Behandlungserfolg. Koinfektionen können zum Beispiel die Immunität gegen andere Infektionserreger unterdrücken oder auch überschießende Reaktionen des Abwehrsystems auslösen“, fasst Ulrich Schaible vom Forschungszentrum Borstel zusammen. Darüber hinaus können die wichtigsten Vorbeugemaßnahmen, Schutzimpfungen, durch bereits bestehende Infektionen beeinflusst werden. Das erläutert Susanne Nylén Spoormaker vom Karolinska Institut in Schweden. Sie entdeckte mit Ihren Kollegen, dass chronische Wurminfektionen in Magen und Darm die Wirkung der TB-Schutzimpfungen und die Körperabwehr gegen den TB-Erreger hemmen. Chronischer Wurmbefall scheint in endemischen Gebieten aber nicht nur die Anfälligkeit für TB, sondern auch für HIV/AIDS und Malaria zu erhöhen – eine Herausforderung, die bei Prophylaxe und Therapie bedacht werden muss.
Derzeit ist knapp ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem TB-Erreger infiziert (WHO-Report November 2010). HIV und TB gehen eine tödliche Liaison ein, in der sich beide Erreger gegenseitig begünstigen. Robert J. Wilkinson vom Imperial College in London untersucht die Auswirkung einer HIV-Koinfektion auf die latente Tuberkulose. Diese Interaktionen und die Auswirkungen auf das Immunsystem sind auf molekularer Ebene noch wenig verstanden. „Die Wechselwirkungen sind sehr komplex und HIV-1 Koinfektionen können eine versteckte Tuberkulose dahingehend verändern, dass es zum Ausbruch einer aktiven TB kommt“, erläutert Wilkinson.
„Aber auch in westlichen Ländern bereiten Koinfektionen große Probleme: mehr als 95 Prozent der Grippe-Todesfälle gehen auf eine Lungenentzündung und die Koinfektion mit bakteriellen Keimen zurück, meist Pneumokokken. Ursache sind häufig außer Kontrolle geratene Immunreaktionen auf die Influenza A-Viren, die den Bakterien den Weg bereiten. Bestandteile dieser Bakterien befeuern dann die Entzündung auch noch weiter“, so Thomas Dobner vom Heinrich-Pette-Institut. Jonathan McCullers vom St. Jude Childrens Research Hospital in Memphis (USA) entdeckte, dass bestimmte Antibiotika, die häufig gegen Pneumokokken eingesetzt werden, die Bakterien zwar schnell zerstören, dadurch jedoch eine überschießende Entzündung entstehen kann. Die Bakterieninfektion wird durch diese „Beta-Lactame“ einerseits gestoppt, die Zerstörung des Lungengewebes schreitet andererseits jedoch fort und kann tödlich enden. In seinem Vortrag beschreibt McCullers, dass andere Antibiotika (Clindamycin und Azithomycin) in Tierexperimenten hingegen einen besseren Schutz vor schweren Lungenentzündungen nach einer Influenza- und Pneumokokken-Koinfektion boten. Beide Antibiotika hemmen die Proteinbiosynthese der Bakterien ohne diese aufzulösen, sodass die bakteriellen Bestandteile nicht freiwerden. Ergebnisse, die zukünftig in standardisierte Behandlungsempfehlungen einfließen und Tausenden von Grippepatienten das Leben retten könnten.
urspr. Arrtikel: Leibniz Center Infection (LCI)
Quelle: idw