Von Reykjavik bis Thessaloniki müssen sich die Menschen auf eine höhere Allergiebelastung einstellen. Europaweit ist die Pollenmenge bereits in den vergangenen Jahren angestiegen, berichtet ein Forscherteam um Prof. Annette Menzel von der Technischen Universität München auf Grundlage von Pollen-Zeitreihen aus 13 Ländern im Fachmagazin PLoS ONE (online). Städte sind davon besonders betroffen: Im Durchschnitt lag der Zuwachs der Pollenmenge in urbanen Gebieten bei drei Prozent, in ländlichen Gegenden bei einem Prozent pro Jahr. Angesichts des Klimawandels wird sich dieser Trend noch verstärken, sind die Wissenschaftler überzeugt.
Mit dem Pollenflug beginnt für Millionen Heuschnupfen-Geplagte die Zeit von Niesreiz und geröteten Augen. In Deutschland leidet heute etwa jeder Vierte an Allergien, Tendenz steigend. Der Klimawandel gilt als einer der Faktoren, die die Entstehung von Allergien begünstigen: Laborversuche und wenige Freilandstudien haben gezeigt, dass eine höhere Kohlendioxid-Konzentration in der Luft das Pflanzenwachstum und damit die Pollenproduktion beschleunigen können. Mildere Temperaturen und zugewanderte Pflanzenarten sorgen zudem für eine längere Pollenflugsaison.
Wie stark die Pollenbelastung europaweit angestiegen ist, hat nun ein internationales Forscherteam um die Ökoklimatologin Prof. Annette Menzel von der Technischen Universität München (TUM) gezeigt. Die Wissenschaftler haben langjährige Pollentrends aus 13 europäischen Staaten ausgewertet: Für 1.221 Pollen-Zeitreihen über jeweils mindestens 10 Jahre wurden einheitliche jährliche Pollenindizes berechnet, die einen Vergleich von allergologisch wichtigen Blütenpollen aus unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ermöglichen.
Das Fazit der Forscher: Besonders Städte sind vom Anstieg der Pollenkonzentration in den vergangenen Jahren betroffen. In urbanen Gebieten ist die Pollenmenge im Durchschnitt um drei Prozent pro Jahr angestiegen, in ländlichen Gegenden sind Zuwächse um ein Prozent pro Jahr zu verzeichnen. Wahrscheinlichste Ursache für diese Zunahme ist die steigende CO2-Konzentration, so die Wissenschaftler. Diese Ergebnisse zeigen einen Trend in der Entwicklung der Pollenmengen - wie hoch die absoluten Pollenmengen vor Ort liegen, lässt sich daraus nicht ablesen.
Von Reykjavik bis Thessaloniki müssen sich Allergiker auch in Zukunft auf eine höhere Allergiebelastung einstellen, ist sich Annette Menzel sicher. „Das Stadtklima ist heute bereits wärmer und trockener, hinzu kommt eine höhere Luftverschmutzung“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Ökoklimatologin nutzt urbane Gebiete deshalb als „Experimentierfeld“, um Klimafolgen besser vorherzusagen. Durch die dichte Bebauung liegt die Temperatur in sogenannten urbanen Wärmeinseln um ein bis drei Grad höher. Auch CO2- und Schadstoffwerte in der Luft sind dort oft erhöht; größere Ozonmengen sind hingegen im Umland großer Städte zu verzeichnen. Eine Entwarnung für Landbewohner gibt Annette Menzel dennoch nicht: „Wir finden in städtischen Gebieten bereits heute die Bedingungen vor, die wir künftig ebenfalls für ländliche Gegenden erwarten.“
Allerdings ist nicht nur die Menge der Pollen für die Abschätzung künftiger Allergiebelastungen entscheidend. Denn Pollen sind nur die (Über-)Träger von allergiefördernden Substanzen. Die Allergie-Trends in Städten und ländlichen Gebieten erforscht Annette Menzel deshalb auch gemeinsam mit der Allergologin Prof. Claudia Traidl-Hoffmann vom Zentrum Allergie und Umwelt (TUM / Helmholtz Zentrum München). Deren Untersuchungen haben gezeigt, dass die Freisetzung von allergiefördernden Substanzen von Jahr zu Jahr schwankt und dass dabei auch Unterschiede zwischen Pollen aus ländlichen und urbanen Gebieten auftreten. Detaillierte Forschungsergebnisse sollen demnächst vorliegen. Soviel ist für die Wissenschaftlerinnen aber bereits heute sicher: „Der Blick in die Klimazukunft fällt nicht nur für Stadtbewohner unerfreulich aus.“
Quelle: Technische Universität München, Fachgebiet Ökoklimatologie